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    Gutachterschlachten in Prozessen...

    DieLara
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    Gutachterschlachten in Prozessen... Empty Gutachterschlachten in Prozessen...

    Beitrag von DieLara Fr 23 Mai 2014 - 14:01

    ... interessieren wohl hauptsächlich Gerichte bzw. die Justiz.

    Gutachter, die auch "Sachverständige" heißen, werden immer dann mit einer Expertise beauftragt, wenn es darum geht, das Gericht oder Verteidigung in ihrer Entscheidungsfindung bzw. zur Be- oder Entlastung einer/s Angeklagten beitragen sollen.

    Dass es dabei zu einer regelrechten "Gutachterschlacht" kommen kann, konnte man während diverser Prozesse immer wieder mal beobachten.

    Gerade der Fall Mollath hat gezeigt, dass auch Gutachter nicht immer richtig liegen müssen und es deshalb zu Fehlentscheidungen des Gerichts kommen kann.

    Nun gibt es gerade einen aktuellen Fall, der für mich bezeichnend ist:

    Man könnte von einem Gutachterkrieg vor dem Dortmunder Schwurgericht reden, wenn der Auftritt des von der Verteidigung gestellten Gutachters Klaus Püschel an einem früheren Prozesstag nicht so schwach gewesen wäre. In zum Teil überheblicher Art hatte der Leiter des Hamburger Institutes für Rechtsmedizin die Diagnose von mehreren vom Gericht beauftragten Rechtsmedizinern zurückgewiesen, das Kind sei zu Tode geschüttelt worden. Als „Spezialist für das Schüttel-Trauma“ hatte er sich dabei bezeichnet. Die Verletzungen könne das Kind sich ebenso beim Sturz vom Bett zugezogen haben.

    http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/rechtsmediziner-ist-sicher-saeugling-zu-tode-geschuettelt-id9375242.html

    Zum besseren Verständnis vielleicht noch der Hinweis, dass Gutachter Klaus Püschel auch im Fall K. vom Verteidigerteam beauftragt wurde:

    Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel wird noch deutlicher. Er gilt als Spezialist für Selbstverletzungen, er hat ein Lehrbuch über das Thema geschrieben und – ebenso wie sein Kollege Bernd Brinkmann – schon etliche angebliche Opfer als Falschbezichtiger entlarvt. Weder die Halswunde noch die Ritzer auf der Haut könnten entstanden sein wie von der Opferzeugin geschildert, pflichtet Püschel seinem Vorredner bei. Das sei rechtsmedizinisches Lehrbuchwissen. Auch Knie kommen für Püschel als Verursacher der Beinhämatome nicht in Betracht, diese müssten vielmehr mit Fäusten oder einem irgendwie abgerundeten Gegenstand hergestellt worden sein. In der Gesamtschau aller Verletzungen, konstatiert Püschel, sei eine Selbstbeibringung wesentlich naheliegender als eine Gewalteinwirkung von fremder Hand. Das Gesamtbild sei völlig atypisch für ein überfallartiges Geschehen. »Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es war, wie die Zeugin sagt«, schließt der Gerichtsmediziner seine Ausführungen, »aber sehr viele Hinweise darauf, dass es sich hier um Manipulation handelt.«
    http://www.zeit.de/2011/09/WOS-Kachelmann/seite-3


    Klaus Püschel, der "Spezialist für Selbstverletzungen UND Schütteltrauma". In beiden Gerichtsfällen jeweils von der Verteidigung beauftragt.

    Im aktuellen Fall steht nun die vom Gericht bestellte Gutachter-Expertise im krassen Gegensatz zu Püschels Expertise:

    Bernd Karger vom Institut für Rechtsmedizin am Uniklinikum Münster bevorzugt klare Worte. Der kleine Nils, so betont der 50-Jährige, sei mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ an den Folgen eines „schweren Schütteltraumas“ gestorben. Die Einblutungen an den Sehnerven des Kindes seien „typisch für eine direkte traumatische Schädigung und zeigen eine hohe Gewaltintensität an“. Mit wenigen Worten macht Karger es auch dem Laien im Gerichtssaal klar: „Die Verletzungen sind praktisch beweisend für eine Kindesmisshandlung. Bei Nils ist das der Fall.“

    http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/rechtsmediziner-ist-sicher-saeugling-zu-tode-geschuettelt-id9375242.html#plx230441371

    Auch Nicht-Juristen dürften sich bei diesen klar gegensätzlichen Experten-Aussagen die Frage stellen: Wie kann das sein?

    Offensichtlich kamen auch dem Richter Zweifel, denn er befragte Püschel und dabei kam dann (für mich) Erstaunliches zutage:

    Als Richter Wolfgang Meyer ihn hart befragte, wich er aus: „Ich verstehe meine Aufgaben so, dass ich dem Gericht Kontrastpunkte liefere.“ Das Gericht ließ nicht locker, grub einen wissenschaftlichen Aufsatz von Püschels Oberarzt aus, der die Anklage sinngemäß bestätigt. Meyer: „Erstaunlich, dass Doktor Püschel uns dies vorenthalten hat.“
    http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/rechtsmediziner-ist-sicher-saeugling-zu-tode-geschuettelt-id9375242.html#plx1816210602


    Im Klartext, so interpretiere ich das jedenfalls: Püschel hat einen wissenschaftlichen Artikel seines Oberarztes "abgesegnet", in dem die vorgefundenen Verletzungen sinngemäß mit den Feststellungen des Gutachters Bernd Karger übereinstimmen.

    Logisch, dass der Richter es "erstaunlich" findet, dass Püschel das verschwiegen hat.

    Aber es gibt noch weitere erstaunliche Erkenntnisse:

    Auch Rechtsmediziner Karger spart nicht mit Kritik. Püschels Aussagen zum Tod des Säuglings sieht er nicht als wissenschaftlich an. Karger: „Er nahm eine völlige Umkehr der einschlägigen Literatur vor.“ Und als er eine Studie im Sinne des Verteidigers Decker vortrug, hätte Püschel aus einer Studie über Erwachsene zitiert, ohne das zu offenbaren. Nicht über Säuglinge.
    http://www.derwesten.de/region/rhein_ruhr/rechtsmediziner-ist-sicher-saeugling-zu-tode-geschuettelt-id9375242.html#plx1643805824

    Soso... da würde ich doch mal sagen: Pech für Püschel, dass er aufgefallen ist.

    Aber warum diese gutachterlich völlige Umkehr der einschlägigen Literatur? Und warum hat Püschel nicht das Gericht darüber informiert, dass er aus einer Erwachsenen-Studie zitiert? Warum verheimlicht er das? Schließlich wusste er, dass es um den Tod eines Säuglings geht und nicht um einen Erwachsenen.

    Natürlich kann man sich die Antwort denken...  Very Happy

    Verwundert bin ich über den Richter. Hat er den "Püschel-Braten" gerochen und sich deshalb -vorher- eingehend informiert?

    Falls es so sein sollte: Hut ab vor diesem Richter!

     Prost

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