von DieLara Mi 12 Nov 2014 - 23:03
Hm, irgendwie habe ich Wolf Biermann genau SO in Erinnerung, wie er sich bei der Rede auch gegeben hat: Rebellisch, Provokant, DDR-Regime-Gegner erster Güte.
Ich weiß zum Beispiel, dass Wolf Biermann im Jahr 1953 (da gab es noch keine Mauer und keine Ein- und Ausreise-Probleme) in die jung gegründete DDR übergesiedelt ist. Da war er noch sehr jung, 16 oder 17 Jahre alt; also Teenager. Dort besuchte er ein Internat. Ich erinnere mich auch daran, dass er bis zum Mauerbau regelmäßig zwischen Ost und West gependelt ist.
Warum jetzt die Rede von einer Übersiedlung im Jahr 1971 ist, weiß ich nicht. Meines Wissens entspricht das nicht den Tatsachen.
Biermann war immer kritisch gegen Bevormundung durch einen Staat eingestellt; das konnte man an seinen Liedern und Gedichten immer erkennen. Ich glaube, er war sich anfangs gar nicht richtig bewusst, wie sehr er das DDR-Regime "auf die Palme" gebracht hat.
Meines Erachtens hat sich das langsam aufgeschaukelt.
Biermann komponierte, veröffentlichte, sang... und die DDR reagierte mit immer mehr Sanktionen.
Um so verwunderlicher, dass ihm die DDR trotzdem die Auftritte im Westen genehmigte. Ich weiß, dass er um das Jahr 1966 noch ein sehr erfolgreiches Konzert in West-Berlin gegeben hat. In den Medien war das lange Zeit in den Schlagzeilen und die Kritiken waren durchweg positiv.
Und was die Ausbürgerung Biermanns angeht, so habe ich in Erinnerung, dass das ein Konzert im Rheinland gewesen ist (1977?). Dort hatte er das DDR-Regime so richtig durch den Kakao gezogen; die Lieder und seine Ansprachen waren für mich ein eindeutiges Signal: Honecker und seine Mannschaft sind bekloppt. ;-)
Jedenfalls hat Honecker daraufhin verfügt, Biermann nicht mehr einreisen zu lassen... mit dem Erfolg, dass es immer mehr prominente Biermann-Mitstreiter gab, die gegen die DDR und somit gegen Honecker ihre Stimmen erhoben. Das war damals echt eine Welle der Empörung und die Zeitungen berichteten praktisch über jeden Promi, der Biermann in Schutz nahm und Honecker verurteilte.
Diese Ausbürgerung war in meinen Augen so ein richtiger Schuss ins eigene DDR-Regime-Knie.
Und ja: Ich habe die Biermann-Rede im Fernsehen gesehen und glaube, er hat einfach die Chance genutzt, die "Linke" als Folge-Partei praktisch für die damaligen Vorkommnisse zur Verantwortung zu ziehen.
Natürlich ist das Quatsch, denn von den damaligen Politikern war meines Wissens niemand mehr dabei. Wäre auch altersmäßig ein Unding.
Was mir aber aufgefallen ist: Auch die Nachfolger, eben die "Linke", machen keinen Hehl daraus, dass sie Biermann nicht mögen.
Und da setzt mein Verständnis irgendwie aus: Warum feindet man jemanden an, der vor langer Zeit einen Unrechtsstaat mit Gedichten und Liedern kritisiert hat?
Biermann ist doch nur noch ein Schatten seiner selbst (mein Eindruck) und seine Bissigkeit gegen Honecker und Co. von damals... müsste heutzutage eigentlich der Vergangenheit angehören; genauso wie es diese bescheuerte Mauer dem Himmel sei Dank, nicht mehr gibt.
Fazit: Wolf Biermann war gewiss kein "braver DDR" Bürger und hat deswegen zahlreiche Repressalien hinnehmen müssen. Allerdings gab es aus meiner Sicht nicht ein einziges Gedicht und kein einziges kritisches Anti-DDR-Lied, wo ich der Meinung gewesen wäre, er hätte zu Unrecht kritisiert.
PS: Die Inter-Shops, in denen für DM westliche Waren gekauft werden konnten, gab es bei Biermanns Übersiedlung in die DDR noch gar nicht. Warum auch, jeder konnte 1953 von Ost nach West und wieder zurück reisen.